Ursprünglich wollte Faustballer Daniel Schwarz als Volunteer bei der Weltmeisterschaft arbeiten und hatte sich als Betreuer für das tschechische Team während der Titelkämpfe in Mannheim gemeldet. Einige Mails und ein Testlehrgang später ist der 31-Jährige plötzlich selbst Nationalspieler und spielt bei der WM vom 22. bis 29. Juli.
Ein wenig kurios mutet es schon an. Ein Sportler schreibt dem Nationaltrainer seines Landes eine E-Mail und bietet sich als Nationalspieler an. Daniel Schwarz schmunzelt, als er die Geschichte noch einmal Revue passieren lässt, aber zusammengefasst ist es genauso passiert. Im letzten Frühjahr hat er Jan Mazal kontaktiert, von seiner sportlichen Vita berichtet und höflich nachgefragt, ob der Coach womöglich noch Spieler gebrauchen könnte. Mit dem Zusatz versehen, dass er zwar in Deutschland beim TV Käfertal Faustball spiele, aber eben auch tschechischer Staatsbürger sei. Denn das wissen eben nicht viele. Woher auch? Faustballer sind nicht so bekannt und auch nicht so vernetzt wie etwa im Fußball. Da gibt es keine riesigen Spielerdatenbanken. „Es ist ja auch nicht so, dass ich in der deutschen Liga großartig auf mich aufmerksam machen kann. Und wer meinen Namen liest, kommt auch nicht unbedingt darauf, dass ich Tscheche bin“, sagt Schwarz, der eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzt.
Insofern seien Vorgänge dieser Art in einer „kleinen Sportart“ nicht unüblich. Man stelle sich mal vor, dass wäre im Fußball passiert und Schwarz hätte sich bei Hansi Flick über einen Kaderplatz erkundigt. „So etwas wäre garantiert unmöglich“, entgegnet der 31-Jährige lächelnd, der diese späte Berufung in die Nationalmannschaft als „eines der größten Highlights in meinem Lebenslauf“ bezeichnet. „Ich bin wahnsinnig aufgeregt und voller Vorfreude.“ Aus dem ursprünglichen Plan, als Volunteer bei der Weltmeisterschaft in Mannheim dabei zu sein, wird damit nichts. Schwarz‘ Heimatverein TV Käfertal, der an der Organisation der Titelkämpfe beteiligt ist, hatte schon früh einen Volunteer-Aufruf gestartet. „Als ich davon hörte, dachte ich spontan: Cool, da möchte ich als Betreuer der Tschechen dabei sein“, erinnert sich Schwarz. „Einer meiner Teamkollegen fragte mich allerdings: Warum spielst du nicht lieber für Tschechien? Stimmt, dachte ich und habe daraufhin den Kontakt gesucht.
Die Reaktion des Trainers? „Total positiv.“ Es folgte eine Einladung zu einem Turnier an der deutsch-tschechischen Grenze im vergangenen September. „Der Trainer war froh, dass ich mich gemeldet habe. Das Turnier lief super für mich, und ich wurde danach ins Nationalteam berufen.“ Kommunikationsprobleme gibt es keine. „Ich spreche die Sprache – wenn auch nicht perfekt“, entgegnet der 31-Jährige, der in Deutschland geboren wurde und mit seinen Eltern mit zwei Jahren von Freinsheim nach Tiefenthal zog. Mit sieben Jahren hatte er die ersten Berührungen mit dem Faustball. „Etwas anderes gab es auch nicht. In Tiefenthal gibt es gefühlt nur eine Sportart“, scherzt Schwarz. „Wenn man als Kind wenig Optionen hat, dann spielt man eben das, was fast alle spielen. Man möchte mit seinen Freunden ja auch Zeit verbringen.“
Zweimal wurde Schwarz deutscher Jugendmeister – zuletzt mit der U 18, daneben deutscher Turnfestsieger in Frankfurt. Mit 25 ging‘s dann Richtung Mannheim. Schwarz‘ Freundin begann ein Studium in Mannheim, er selbst suchte sich als Techniker einen neuen Arbeitsplatz. „Ich hatte ein glückliches Händchen mit unserer Wohnung, die Luftlinie nur knapp ein Kilometer vom TVK entfernt liegt.“ Da lag ein Wechsel nach Käfertal nah. Schwarz kannte einige Spieler noch aus der Jugend, unter anderem spielt auch sein früherer Mitspieler Fabian Braun aus Tiefenthal im Verein.
Mittlerweile hat der TV Käfertal vier Herren-Mannschaften gemeldet. Daniel Schwarz spielt mit der 2. Mannschaft in der Verbandsliga Baden, belegt dort aktuell Platz drei. Mehr sei angesichts des vollen Terminkalenders und mit Rücksicht auf den Beruf nicht möglich. Um sich an das höhere Trainingsniveau anzupassen, geht Schwarz daher zusätzlich ins Fitnessstudio und trainiert zweimal wöchentlich mit der ersten Mannschaft. Dort trifft er mit dem deutschen Nationalspieler Nick Trinemeier streng genommen auf einen Konkurrenten bei der WM. „Konkurrenzkampf gibt es aber nicht“, versichert der Mannheimer. „Ganz im Gegenteil. Ich bin sehr dankbar über diese Trainingsmöglichkeit. Es ist eher so, dass wir uns gegenseitig helfen.“
Als gelernter Abwehrspieler nimmt Schwarz im tschechischen Team allerdings eine neue Position ein, spielt dort im Angriff vorne rechts. „Ich bin froh, mit Nick und Marcel Stoklasa zwei Top-Angreifer in der Mannschaft zu haben, von denen ich mir einiges abschauen und viel lernen kann. Nick räumt mir im Training die Freiheit ein, Schläge mit der Mannschaft zu üben. Er ist der Erste, der hilft und Tipps gibt. Das ist nicht selbstverständlich. Aber da sind wir in erster Linie Vereinskollegen.“
Die tschechische Nationalmannschaft hat sich zum vierten Mal in Folge für die WM der Männer qualifiziert. Nach zwei Teilnahmen 1995 (Namibia) und 1999 (Schweiz) formierte sich Mitte der 2000er Jahre unter dem damaligen Trainer und Verbandspräsidenten Jan Mazal aus Zdechovice ein neues Team, das sich in Europa etabliert hat. Bei der WM-Rückkehr 2011 (Österreich) und 2015 (Argentinien) landete die tschechische Auswahl jeweils auf dem elften Rang, bei der vergangenen WM 2019 errang Tschechien dann in der Schweiz einen beachtlichen neunten Platz.
Ein ähnliches Abschneiden wünscht sich Schwarz auch für seine WM-Premiere. Zunächst möchte er die Gruppephase mit Japan, Australien und Neuseeland als Sieger beenden, „wenn es richtig gut läuft, hoffe ich auf einen Platz unter den besten Acht“. Die Vorbereitung begann zu Jahresbeginn mit zwei Turnieren in Berlin. Anfang Juli soll ein Trainingslager direkt in Mannheim stattfinden, eventuell mit der polnischen Nationalmannschaft zusammen, die sich allerdings nicht qualifiziert hat.
Im Auftaktspiel am 22. Juli trifft Tschechien um 10 Uhr auf Japan. Daniel Schwarz kann es kaum noch erwarten, dass es endlich los geht. „Für mich fühlt sich das wie eine Heim-WM an“, sagt der 31-Jährige, der sich für die Turnier-Woche Urlaub genommen hat. „Ich wohne in Mannheim, spiele hier Faustball und bekomme große Unterstützung von meinem Verein. Es werden viele Freunde und meine Familie da sein.“ Egal wie es am Ende für Tschechien ausgeht: „Das wird ein unvergessliches Erlebnis.“
Text: Stefanie Sandmeier