Wer wird Faustball-Weltmeister 2023? Vom 22. bis 29. Juli dreht sich in Mannheim alles um diese Frage. Nach dem Auftakt im Rhein-Neckar-Stadion mit der kompletten Vorrunde und dem Auftakt in die Finalrunde, ziehen die Faustballer zu den Finalspielen am Freitag und Samstag, 28. und 29. Juli, in die SAP Arena um, in der extra ein Naturrasen verlegt wird. Die Sportstadt Mannheim wird dabei zur Weltmeisterschaft 16 Nationen begrüßen, die von allen Kontinenten der Welt anreisen. Das größte Kontingent stellt dabei Europa mit sieben Teilnehmern, aber auch aus Amerika (4 Nationen), Asien (2), Ozeanien (2) und Afrika (1) werden die Nationalteams nach Mannheim reisen – und Titelverteidiger Deutschland herausfordern. Wer wird im Sommer zu den Medaillenfavoriten gehören und wer tritt als Außenseiter in der Sportregion Rhein-Neckar an? Ein Überblick.
Europa
Deutschland (15)
Seit den World Games 2013 in Kolumbien ist die deutsche Mannschaft bei großen internationalen Turnieren nicht zu schlagen. So feierte Deutschland in 2022 auch bei der Europameisterschaft (Italien) und den World Games (USA) den Titelgewinn. Somit sind aktuell alle Männer-Titel fest in deutscher Hand. Aus dem Weltmeisterteam von 2019 steht der Großteil des Teams Bundestrainer Olaf Neuenfeld, der seit 2005 die Geschicke des deutschen A-Kaders verantwortet, auch weiterhin zur Verfügung. Der Fokus dürfte auch bei dieser WM sehr wahrscheinlich auf Hauptangreifer Patrick Thomas liegen, der seit 2010 für den A-Kader bei großen Turnieren aufläuft. Für ihn – und Kapitän Fabian Sagstetter – ist das Turnier in Mannheim bereits die vierte Weltmeisterschaft bei den Männern. Bei allen drei Austragungen mit den beiden im Kader gewann Deutschland den WM-Titel. Bei der Heim-WM 2007 war man, ohne die beiden, noch am Finaleinzug gescheitert – das bisher einzige Mal bei 15 Austragungen.
Österreich (15)
Wenn bei internationalen Titelkämpfen die Medaillen vergeben werden, dann gehört Österreich immer zu den ganz heißen Anwärtern. Nicht verwunderlich, stand Team Austria doch seit 1982 – ganz egal ob nun Weltmeisterschaft, World Games oder Europameisterschaft – immer auf dem Podest. Ausgerechnet bei den World Games in Birmingham riss diese beeindruckende Bilanz, die sonst keine andere Nation vorweisen kann. Auch deshalb geht der WM-Silbermedaillengewinner von 2019 – bei dem aus der Finalmannschaft noch acht Spieler zum erweiterten Kader für das Jahr 2023 gehören – hochmotiviert in die Vorbereitung auf Mannheim. Die größte Veränderung gibt es dabei auf der Trainerposition. Kurz vor der intensiven WM-Vorbereitung übernahm mit Siegfried Simon ein neuer Teamcoach das Sagen an der Seitenlinie. 40 Länderspiele absolvierte der frühere Zuspieler für das österreichische Nationalteam und gewann 2007 den bisher einzigen Männer-Weltmeistertitel mit Rot-Weiß-Rot.
Schweiz (15)
Fünf Jahre lang war es das Duell in allen internationalen Endspielen: Egal ob bei den World Games 2013 und 2017, den Europameisterschaften 2014, 2016 und 2018 oder der Weltmeisterschaft 2015 – die Schweiz kämpfte mit Deutschland um den Titelgewinn, musste sich aber jedes Mal geschlagen geben. Ausgerechnet bei der Heim-WM 2019 in Winterthur riss diese Serie und die Eidgenossen blieben sogar komplett ohne Medaille. Umso eindrucksvoller meldete sich das Team von Trainer Oliver Lang – der seit dem Viertelfinal-Aus bei der WM 2011 an der Seitenlinie steht, in diesem Sommer zurück. Nach Platz 3 bei der EM in Italien beeindruckte die Schweiz bei den World Games in den USA mit dem Finaleinzug – wo sie gegen Deutschland nur knapp die Überraschung verpassten. Angeführt wird das Team dabei von Linkshänder Raphael Schlattinger, der beim TSV Calw in der Bundesliga Süd aufläuft.
Italien (13)
Es war der größte WM-Erfolg seit 1972: 47 Jahre nach dem fünften Platz bei der Weltmeisterschaft in Schweinfurt landete Italien in Winterthur wieder auf Rang fünf und unterstrich damit, dass sie zu den weltweiten Top-Nationen gehören. Damit qualifizierte sich die Squadra Azzura auch für die World Games in den USA, wo man den fünften Platz noch einmal bestätigte. Ein Großteil des Teams spielt dabei seit mehr als einem Jahrzehnt auf internationalem Top-Niveau, bei der Heim-EM im vergangenen Jahr (Platz 4) wurde dazu auch vermehrt der eigene Nachwuchs eingesetzt, der um Top-Angreifer Armin Runer nun zu Stammspielern im Team des deutschen Trainer Jörg Ramel aufgebaut werden sollen.
Dänemark (7)
2017 aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst, etabliert sich Dänemark unter der Leitung des Deutschen Jugendverbandes für Nordschleswig seit der EM-Teilnahme 2018 in Adelmannsfelden immer mehr zu einer der europäischen Top-Nationen. Bereits von 1990 bis 2007 waren die Dänen dabei bei sechs Weltmeisterschaften in Folge. Coach des dänischen Nationalteams war dabei – bis 2005 – der heutige Bundestrainer Olaf Neuenfeld. Er führte Dänemark bei der WM 2003 in Porto Alegre (Brasilien) auf Rang sechs – und damit zum größten Erfolg der Verbandsgeschichte. Zum Aufgebot damals gehörte auch Peter Diedrichsen, der aktuelle Trainer des dänischen Nationalteams. Großer Wert wird dabei auf die Jugendarbeit gelegt. Im Januar 2023 richtet der Verband die Hallen-U19-Europameisterschaft aus.
Tschechien (5)
Zum vierten Mal in Folge hat sich die tschechische Nationalmannschaft für die Faustball-WM der Männer qualifiziert. Nach zwei Teilnahmen 1995 (Namibia) und 1999 (Schweiz) formierte sich Mitte der 2000-er Jahre unter dem damaligen Trainer und Verbandspräsidenten Jan Mazal aus Zdechovice ein neues Team, das sich in Europa etablierte und bei der vergangenen WM 2019 in der Schweiz einen beachtlichen neunten Platz errang. Auch als Organisator von europäischen Veranstaltungen für Vereinsmannschaften wie dem Champions Cup sowie European Cup oder zuletzt die Europameisterschaft der Frauen und U21-Junioren (2019) machte sich der Tschechische Faustballverband einen Namen.
Serbien (2)
Nach 2011 und 2019 wird Serbien in Mannheim zum dritten Mal zu einer Faustball-Weltmeisterschaft der Männer antreten. Formiert hat sich die serbische Nationalmannschaft erstmals 2007, als man unter Federführung von Torsten Hilscher mit den Vorbereitungen zur WM-Teilnahme 2011 in Österreich begann. Rekrutiert wurde der Großteil des Teams dabei aus ehemaligen Volleyballern, die in ihrer vorherigen Karriere bereits in internationalen Ligen im Einsatz waren. Mittlerweile hat Edi Hagen das Zepter als Coach der serbischen Faustballer in der Hand, die seit 2008 – mit Ausnahme der WM 2015 in Argentinien – an allen Europa- und Weltmeisterschaften teilgenommen haben. Als Erfolg dürfte dabei der 13. Platz bei der WM in Winterthur gewertet werden, als sich Serbien gegen Polen zum ersten President’s Cup-Sieger krönte.
Amerika
Brasilien (15)
Es war der ganz große Coup: Von 1968 bis 1995 feierte Deutschland bei neun Weltmeisterschaften in Folge den Weltmeistertitel. Doch 1999 in Olten (Schweiz) sorgte Brasilien für den Sturz des großen Titelfavoriten und legten vor heimischem Publikum 2003 gleich den zweiten Titelgewinn schafften es auch bei den Austragungen 2007 (Silber) und 2011 (Bronze) in die Medaillenränge. Nach dem verpassten Sprung auf das Podest bei den Weltmeisterschaften 2015 und World Games 2017 meldeten sich die Südamerikaner zuletzt mit zwei Bronzemedaillen (WM 2019, World Games 2022) zurück unter den Top3 der Welt. 2023 will das Team, das sich vornehmlich aus Spielern der SG Novo Hamburgo, Sogipa Porto Alegre und Duque de Caxias rekrutiert, den Finaleinzug in Angriff nehmen.
Chile (15)
Der chilenische Faustball ist seit Jahren eng mit den Namen Mödinger verbunden. Auch bei der Weltmeisterschaft 2019 standen mit Eduardo, Cristobal, Joaquin und Alvaro gleich vier Mödingers im chilenischen Aufgebot und belegten – so wie schon bei den drei Austragungen zuvor – den sechsten Platz. Ohnehin können die Südamerikaner als Dauerbrenner bezeichnet werden. Bei bisher allen WM-Austragungen trat Chile an und hat sich in den vergangenen Jahren, hinter Brasilien, als zweite südamerikanische Kraft etabliert.
Argentinien (13)
Manch einer der Faustball-Fans wird sich noch erinnern, an den größten Erfolg der argentinischen Verbandsgeschichte. Vor elf Jahren, 2011 in Österreich, verpassten die Südamerikaner gegen Österreich nur hauchdünn den Einzug ins WM-Finale und schloss die WM auf Rang vier ab. Mittlerweile haben alle Spieler aus dem damaligen Kader ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt, die sich nach der Heim-WM somit komplett neu formieren musste. Nicht verwunderlich also, dass die La Albiceleste bei der WM 2019 und den World Games 2022 (jeweils 7. Rang) erstmals mit einer Platzierung im Mittelfeld Vorlieb nehmen musste.
USA (5)
Es war ein klarer Aufwärtstrend, den die US-Faustballer in den vergangenen zwei Jahrzehnten hinlegten, der aber bei der WM 2019 einen kleinen Knick bekam. Nach der ersten WM-Teilnahme 1999 (Platz 11), schaffte man nach Rang 9 in Österreich (2011) in Argentinien den Sprung in die Top8-Faustballnationen (2015). In Winterthur zeigten die US-Boys zwar in der Vorrunde gegen Deutschland eine starke Leistung, mussten sich aber mit Rang zehn begnügen. Doch bei den World Games im heimischen Birmingham verlangte das Team den Top-Nationen eine Menge ab (Platz 8) und schaffte bei den Panamerikanischen Meisterschaften mit einem starken dritten Platz die Qualifikation zur WM nach Mannheim.
Ozeanien
Australien (2)
Es ist schon eine kuriose Geschichte, wie der Faustball dank Rolf Petersen in Australien Fuß fasste. Um einmal im Leben mit einer Nationalmannschaft gegen seinen Bruder Rolf (Südafrika) antreten zu können, begann der heutige Verbandspräsident mit dem Faustballsport in Down Under – und etablierte ihn. Bei der WM-Premiere 2015 (Argentinien) feierten die Australier ihre zwei Siege gegen Südafrika frenetisch und bauten – auch dank Unterstützung von europäischen Gast-Trainern – seitdem die Turnierserie der Vereinsmannschaften aus. Bei der zweiten Teilnahme 2019 landete Australien auf Rang 16 von 18 Mannschaften.
Neuseeland (1)
Sie haben sich innerhalb kürzester Zeit zur Nummer eins im Raum Asien und Ozeanien entwickelt: Das bewiesen die Neuseeländer jüngst bei der Pazifikmeisterschaft im Oktober, als sie sich – nach 2018 – im Finale gegen Australien zum zweiten Mal den Titel sicherten. Und auch auf der WM-Bühne scheinen sich die Faustballer, die bei der Ozeanmeisterschaft 2017 erstmals international in Erscheinung traten, pudelwohl zu fühlen. Bei der Premiere 2019 stand ein beachtlicher elfter Platz zu Buche – direkt hinter etablierten Teams wie Namibia, Tschechien oder die USA. Auch das Frauenteam macht dabei auf sich aufmerksam, trat beim erstmals ausgetragenen World Games-Wettbewerb in den USA an und belegte Platz fünf. Die professionellen Strukturen im Verband will das Team des Inselstaates nutzen, um an die guten Ergebnisse der jüngsten Vergangenheit anzuknüpfen – und den Faustball in Neuseeland weiter zu etablieren.
Asien
Japan (5)
Sie sind die asiatischen Dauerbrenner im Faustball: Im Vorfeld der World Games 2001 im japanischen Akita gegründet, nahm die Faustball-Nationalmannschaft aus Ostasien 1999 in Olten erstmals an einer Faustball-WM teil – und war auch in den folgenden Jahren Stammgast bei internationalen Titelkämpfen. Sogar bei Europameisterschaften schlugen die Japaner in den 2000-er Jahren dank eines Gaststartrechts auf. Bei der erstmaligen Teilnahme an den Pazifikmeisterschaften sicherte sich Japan zudem jüngst die Bronzemedaille. Außerdem waren die Japaner bei fünf der vergangenen sechs Weltmeisterschaften vertreten – und begeisterten die Zuschauerinnen und Zuschauer immer wieder nicht nur auf, sondern auch abseits des Platzes.
Indien (0)
Zum ersten Mal in der Geschichte möchte die Nationalmannschaft aus Indien bei einer Faustball-Weltmeisterschaft der Männer aufschlagen. Viele Informationen sind aus dem Land aus Südasien dabei traditionell nicht bekannt. Die Faustball-Strukturen im Land können sich aber sehen lassen. Jährlich finden indische Meisterschaften für Männer und Frauen sowie der Jugend statt. Bei der jüngsten Austragung – der sechsten in der Geschichte des Faustballverbandes – verteidigte dabei Tamilnadu den gewonnenen Titel aus dem Vorjahr. International gewann die indische Männernationalmannschaft bei der ersten Austragung der Asien-Pazifikmeisterschaft 2014 im pakistanischen Lahore die Silbermedaille, 2018 (Melbourne/Australien) gewann das Team Bronze.
Afrika
Namibia (12)
Seit jeher wird der afrikanische Kontinent von Namibia vertreten. Zunächst noch als Südwestafrika (1972 bis 1979) startetet die namibische Auswahl seit 1990 ununterbrochen bei den Welttitelkämpfen und nahm in der Vergangenheit auch schon das eine oder andere Mal als Gastmannschaft an Europameisterschaften teil. Jahrelang wurde das Nationalteam dabei von Linkshänder Michael Baas geprägt, der beim achten Platz 2011 in Österreich seine siebte und damit letzte Weltmeisterschaft bestritt. An die guten Platzierungen konnten aber auch seine Nachfolger anknüpfen, schafften bei der WM 2019 in Winterthur einen starken achten Platz. Übrigens: Einige Spieler sind dabei bei deutschen Vereinen aktiv – und dürfen sich sozusagen auf ein kleines „Heimspiel“ in Mannheim freuen.